REMIDA GESCHLOSSEN!

 

Ordnung ist das halbe Leben…

„Das sieht so ordentlich, aufgeräumt aus“, ist das was Besuchern in der Remida häufig auffällt und einen Hinweis auf ihre Erwartungen gibt: Durcheinander in staubigen Kartons. Das ist auch die häufigste Assoziation mit Recycling. Der Raum ist der dritte Erzieher ist ein geflügeltes Wort aus Reggio Emilia und somit Teil des Konzepts der Idee. In vielen Kitas oder anderen Einrichtungen gibt es häufig Ordnungssysteme in Form von angebrachten Fotos oder durchsichtigen Kästen, damit die Kinder die Dinge sehen können. Wenn… weiterlesen

 

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Interview aus der REmida 

Was ist eigentlich ästhetische Bildung?

Bei Wikipedia findet man dazu folgende Definition: „Der Begriff ästhetische Bildung hat einen kulturphilosophischen Hintergrund in Friedrich Schillers Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ (1795). Der Begriff „ästhetische Bildung“ bezeichnet einen Ansatz der Erziehungswissenschaften und der sozialen Arbeit mit ästhetischen Medien, bei dem sinnliche Erfahrungen Ausgangspunkt von Bildung und Entwicklung des Menschen sind. Damit sind nicht nur Erfahrungen gemeint, die an künstlerischen Werken gemacht werden können: Im Sinne der Herkunft des Wortes Ästhetik aus dem Griechischen (gr. aísthesis: sinnliche Wahrnehmung) zielt die ästhetische Bildung auf die Bildung der reflexiven Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. Ästhetische Bildung versteht Bildung nicht in erster Linie als Wissensaneignung, bei der das Denken der Wahrnehmung übergeordnet ist, sondern als Ergebnis sinnlicher Erfahrungen, die selber Quelle von Wissen und Erkenntnis sein können.“

 Truman-CapoteDer letzte Satz bildet die Brücke zur Reggiopädagogik: Die Grundlagen dieser Erziehungs- und Bildungsphilosophie sind das Bild vom Kind als reiches Wesen mit 100 Sprachen, die Pädagogik, die auf Sinneswahrnehmung und Ausdrucksfähigkeit setzt sowie die Rolle der Erwachsenen als Begleiter der Prozesse.

Und auch die Remida – das kreative Recycling Centro als Erfindung aus Reggio verkörpert ästhetische Bildung.  Die Präsentation der Abfallmaterialien ist anregend und zeigt die Schönheit der Dinge. Sie laden zum Neuentdecken und Zweckentfremden ein. In der Auseinandersetzung mit den Materialien werden alle Sinne angeregt. Und wer dem Drang des schnellen Zugriffs widerstehen kann, wird Erstaunliches erleben. Dann nämlich, wenn der Anblick, also der Sinneseindruck durch das Sehen, mit den bisherigen persönlichen Erfahrungen abgeglichen wird. Habe ich eine Vermutung, wie sich das anfühlt? Kenne ich dieses Material und seine Beschaffenheit schon? Stoße ich auf Dinge, die ich noch nie gesehen habe? Kann ich hier gedankliche Hypothesen anstellen, wie sie sich wohl anfühlen mögen? Gleiches gilt für das Hören – unser zweiter Fernsinn. Wie entsteht dieses Geräusch? Kann ich es mir vorstellen? Hier kommt die Fähigkeit zur Imagination ins Spiel. Sie hat ihren Platz zwischen dem Eindruck des Fernsinns und der unmittelbaren Überprüfung durch den Nahsinn, Tasten, Schmecken, Riechen – und auch den Gleichgewichtssinn. Auch dieses Erlebnis funktioniert in umgekehrter Richtung: Mit verbundenen Augen tasten und raten. Oder: Zeichne was du fühlst.

 Die Remida lockt die Fähigkeit des sich Eindruck-verschaffens sowie die Lust am Ausdruck. Hier spielen die persönlichen Zugänge eine Rolle. Wo bleibt mein Blick hängen? Was läßt mich zugreifen? Welche Erfahrungen mache ich? Woran erinnert mich ein Material? Spielen ist ohnehin die wichtigste Fähigkeit in der Auseinandersetzung mit der Welt – auch für Erwachsene.

 Aus welchem Rohstoff ist ein Material – Kunststoff, Pappe, Holz, Glas, Metall, Textil, Papier, Stein…? Wie fühlt es sich an? Ist mir angenehm? Wie läßt es sich bearbeiten? Muss ich es überhaupt bearbeiten? Kinder sind oft vom Stein fasziniert, weil er so schwer ist. Da haben sie etwas „Richtiges“ in der Hand. Die Erwachsenen wenden dann oft ein, daß es am Werkszeug fehlt. Die Kinder hingegen möchten ihn erkunden, erleben. Ein Stück Stein belebt jede Bauecke.

 Was kann ich damit spielen? Fokussiert auf ein Material und begrenzten Platz findet intensive Auseinandersetzung statt. Zunächst eigenständige Erkundung, dann der Blick nach außen was die anderen machen und in Beziehung gehen. Aus dem Einzelspiel wird Zusammenspiel. Gegenseitiges Anregen, voneinander lernen und gegenseitig unterstützen. In Beziehung sein mit dem Material und auch mit den Mitmenschen.

 Ästhetische Bildung ist alles was in der sinnlichen Auseinandersetzung mit den Dingen stattfindet: auch Sortieren, Klassifizieren, Kategorisieren – Muster und Mosaike entwickeln.

Ästhetisch ist alles was unsere Sinne bewegt, wenn wir es betrachten – unabhängig davon ob wir es als schön empfinden. Es kann also auch hässlich und unangenehm sein.

Die Remida ist ein Wahrnehmungsort und wir sind davon überzeugt, daß Menschen auf ihre Weise wahrnehmen, die eigene Beziehung und den eigenen Ausdruck finden, die eigenen Ideen entwickeln. Darum halten wir uns mit Anleitungen zurück, was man mit den Materialien tun kann. Wir hören uns viel lieber die Geschichten an, was alles aus den Dingen geworden ist, wozu die Kinder bzw. Jugendliche und Erwachsene sie verwendet haben. Wir sehen die Remida als Bildungsort außerhalb der Kategorien von Richtig und Falsch.

„Aus 5cm² Wahrnehmung kann ein Abenteuer werden!“